Gemeinsam sind wir stärker

Kreisfusion in Südniedersachsen

Gemeinsam sind wir stärker

Die freiwillige Fusion der beiden Landkreise Göttingen und Osterode istbeschlossene Sache. Wie das Projekt auf’s richtige Gleis kam und welche Ziele es ansteuern soll, schildert ein Beteiligter: Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Kreistagsfratkion im Kreis Göttingen: Dr. Martin Worbes


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Mitte November 2013 haben die Hauptverwaltungsbeamten der Landkreise Göttingen und Osterode und der niedersächsische Innenminister Pistorius den Zukunftsvertrag unterzeichnet. Damit ist ein wichtiger Schritt in Richtung Fusion geschafft.

Bis zum Fusionszeitpunkt im November 2016 ist nun die Verwaltung mit der Neugliederung ihrer Strukturen intensiv beschäftigt. Aber auch die Politik muss die Zeit nutzen, um gemeinsame Ziele festzulegen und ihre sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen aneinander anzupassen. Ein einfaches Beispiel: die Debattenkultur ist stark reglementiert im einen Parlament, nahezu unbegrenzt ist die Redezeit hingegen im anderen.
Ausgangspunkt für die Fusionspläne in Südniedersachsen war die allgemeine Strukturschwäche der ehemaligen Zonenrandgebiete, die sich in einer hohen ProKopf-Verschuldung sowie einem überdurchschnittlichen Bevölkerungsrückgang manifestiert. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten 25 Jahren diese Region ein Viertel ihrer Bevölkerung verlieren wird.

Demzufolge werden die Schlüsselzuweisungen vom Land für die Erledigung der Kreisaufgaben zurückgehen, gleichzeitig steigen die Ausgaben für Soziales, für den Erhalt der Infrastruktur, des Bildungs- und Kulturangebotes, u. a.
Entsprechend großen Handlungsbedarf sah der Staatsrechtler Hesse in seinem „Gutachten über Kommunalstrukturen in Niedersachsen“, in dem er in mehreren Regionen die Fusion von Landkreisen vorschlägt, darunter explizit die der Kreise Göttingen, Osterode am Harz und Northeim. Mit einer solchen Umstrukturierung sind mehrere Ziele verbunden: Zum einen sollen größere Verwaltungseinheiten mit mehr Kompetenzen die im mer komplizierter werdender Aufgaben besser und effizienter bewältigen können.
Zum anderen geht es auch darum, die vorhandenen Strukturen an die sinkenden Bevölkerungszahlen anzupassen.

 

Erst drei, dann zwei

Der ursprüngliche seit langem in grünen Kreisen diskutierte Plan einer Fusion dreier Landkreise konnte leider nicht verwirklicht werden, da – anders als zu Beginn des Diskussionsprozesses absehbar – kurz vor dem entscheidenden Kreistags-Beschluss in Northeim doch keine Mehrheit bei SPD und Grünen gefunden werden konnte. Der Northeimer Landrat, dessen Amtszeit nach den Kommunalwahlen zum Zwecke der Fusionsverhandlungen außerplanmäßig um zwei Jahre verlängert worden war, hatte ebenfalls das Interesse verloren und hat statt dessen lieber für eine weitere reguläre Amtszeit im eigenen kleinen Kreis kandidiert.

 

Interessante Interessenkonstellationen

Während des Kommunalwahlkampfes 2011 waren die Fusionspläne bereits ein bestimmendes und zwischen den Lagern von SPD und Grünen auf der einen Seite und der CDU auf der anderen Seite das differenzierende Thema. In allen drei Landkreisen haben vor diesem Hintergrund SPD und Grüne z. T. deutliche Mehrheiten bekommen.
Nach der Wahl, als die Pläne konkreter wurden, bildeten sich kleine Bürgerinitiativen von Fusionsgegnern, die mit z. T. teuren Anzeigenkampagnen für einen Bürgerentscheid geworben haben. Unterstützt wurden sie von den Oppositionsparteien CDU, FDP, Linke, Freie Wählergemeinschaften und dem einen Piraten im Göttinger Kreistag – eine sicherlich historisch einmalige Interessenskoalition. In Göttingen und Northeim verfehlten die Bürgerbegehren jedoch bei weitem die für einen Entscheid notwendige Zahl an Unterschriften. In Osterode stand weniger die Notwendigkeit einer Fusion zur Debatte, als vielmehr die Frage, ob man nicht lieber mit dem nördlich gelegenen Landkreis Goslar fusionieren solle. Dort kam es zwar zum Bürgerentscheid, er verfehlte hier aber das notwendige Quorum für eine bindende Wirkung.

 

Die Bevölkerung bleibt gelassen

Deutlicher wurden die Gründe für das mangelnde öffentliche Interesse in einer qualifizierten Bürgerbefragung eines sozialwissenschaftlichen Institutes der Universität Göttingen. Die Mehrzahl der BürgerInnen in den Kreisen Göttingen und Northeim hat danach mit einer Landkreisverwaltung nur wenige Berührungspunkte. Publikumsintensive Dienstleistungen wie Kfz-Anmeldungen werden grundsätzlich dezentral angeboten. Schließlich ist die Identifikation mit der Gemeinde, der Stadt, dem Dorf, in dem man wohnt, wesentlich höher als mit der eher abstrakten Verwaltungseinheit Landkreis.

Entsprechend verhalten war auch die öffentliche Reaktion nach dem Fusionsbeschluss im Göttinger Kreistag, die sich sonst in monatelangen Leserbrief-Debatten in der regionalen Tageszeitung manifestiert, wie etwa über die Wahl von Bänken, Pflastersteinen oder Laternen in der frisch renovierten Göttinger Fußgängerzone. Sehr positiv wird die Fusion von
der Industrie- und Handelskammer gesehen, die sich wirtschaftliche Impulse verspricht und ihre eigene Struktur bereits vor der politischen Fusion auf die neue Situation einstellt.

 

Zukunftsvertrag: Es geht vor allem ums Geld

Der jetzt unterschriebene Zukunftsvertrag regelt vor allem die finanzielle Seite, die Höhe der Entschuldungshilfe für die beiden Landkreise (zusammen knapp 80 Mio. €) und er hält die Konsolidierungsmaßnahmen fest, die zu einem ausgeglichenen Haushalt im fusionierten Landkreis ab 2019 führen müssen. Während in Niedersachsen über das Instrument eines Zukunftsvertrages eine ganze Reihe von Gemeinden den Weg der freiwilligen Haushaltsdisziplin beschritten haben (darunter die Stadt Göttingen) und es dabei auch zu einigen kleineren Fusionen zwischen Gemeinden gekommen ist, wird die südniedersächsische die einzige freiwillige Fusion zweier Landkreise sein, obwohl auch in anderen Regionen (Uelzen, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg) darüber diskutiert wurde.
Auch in grünen Kreisen ist die mit der Entschuldungshilfe verbundene strikte Haushaltsdisziplin nicht unumstritten. So beschränkt der Zukunftsvertrag den ohnehin minimalen Spielraum für die Vergabe von freiwilligen Leistungen auf 1,7 % des Gesamthaushaltes, was einige Mandatsträger als übermäßige Einschränkung des Gestaltungsspielsraums ansehen. Zumal im Haushalt des Landkreises Göttingen mehr als ein Drittel der freiwilligen Leistungen auf längere Sicht vertraglich festgelegt ist, und zwar für kulturelle Einrichtungen in der Stadt Göttingen. Andererseits führt gerade diese Beschränkung zu einer intensiven Diskussion über Prioritäten und zur längerfristigen Betrachtungsweise, durch Schuldenabbau der zukünftigen Generation mehr finanziellen Spielraum für heute noch nicht absehbare Aufgaben zu lassen.

Als Hauptvorteil der Fusion sehen wir aber eine Stärkung des südniedersächsischen Raumes im Konzert der Regionen in Niedersachsen an. Wir erwarten, dass damit eine Region gestärkt wird, die in der Vergangenheit eher am Rande des Bundeslandes verortet war.

Martin Worbes ist Vorsitzener der grünen Kreistagsfraktion Göttingen.
S. a. den Beitrag „Ein munteres Tauziehen“

von Jürgen Bartz in AKP 6/2012, S. 30.

 

Quelle: Alternative Kommunalpolitik, Heft2/ 14, Seite 25 f.

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