Kommunalisierung der EON Mitte AG – Ratsbeschluss am 9.12.2013: Beschlussvorlage mit deutlich GRÜNER Handschrift

11.11.13 –

Der Rat der Stadt Göttingen wird in seiner Sondersitzung am 9.12.2013 voraussichtlich die Rekommunalisierung der EON Mitte AG beschließen und damit die bedeutendste Weichenstellung für die Energiewende in der Region seit Jahrzehnten vornehmen. „Ich sehe darin eine riesige Chance für den Klimaschutz und die regionale Wertschöpfung“, erklärt der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Göttinger Stadtrat, Rolf Becker. „Mit dieser Übernahme eröffnet sich den Kommunen erstmals die Möglichkeit, ein Stromnetz zu gestalten, das nicht auf Großkraftwerke, Atom- und Kohlestrom setzt, sondern auf nachhaltige Energien und die intelligente technische Verknüpfung vieler kleiner dezentraler Energieanlagen in der Region.“

Eine der größten Rekommunalisierungen der Geschichte

Mit dem Beschluss über den Erwerb der EON Mitte AG beteiligt sich die Stadt gemeinsam mit dem Landkreis Göttingen und elf weiteren Landkreisen aus Südniedersachsen, Hessen und Thüringen an einer der größten energiepolitischen Transaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Kern umfasst dieses Kaufgeschäft die Übertragung des Eigentums am Niederspannungsnetz und der damit verbundenen Durchleitungsrechte in einem Gebiet, das von Northeim bis zum nördlichen Stadtrand von Frankfurt am Main reicht. „In dieser Größenordnung hat es eine Rekommunalisierung der Energienetze noch nicht gegeben“, erläutert die energiepolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Stadtrat, Sabine Morgenroth. „Die Beschlussvorlage zum Kauf der EON Mitte AG wurde zu großen Teilen mit GRÜNER Tinte geschrieben, worauf wir wirklich ein Stück weit stolz sind.“

GRÜNER Tendenzbeschluss und GRÜNE Charta sichern Nachhaltigkeit

Bis zum Schluss hatten die GRÜNEN im Netzgebiet gemeinsam auf einen ergänzenden Tendenzbeschluss gedrängt: „Wir wollten eine gleichlautende Absichtserklärung aller Kommunalparlamente, damit mit ausreichender Verbindlichkeit sichergestellt ist, dass die zukünftigen Vorstands- und Aufsichtsgremien die Nachhaltigkeitsziele nicht einkassieren ehe die Tinte unter dem Kaufvertrag getrocknet ist.“ Die wichtigsten Forderungen wurden mittlerweile in die Beschlussvorlage übernommen, so dass die größten Hindernisse für die Zustimmung der GRÜNEN aus dem Weg geräumt wurden. Die wichtigsten Nachhaltigkeitsziele sollen nun in einer Unternehmenscharta verbindlich festgeschrieben werden. Auch für die Umsetzung des Ziels einer regionalen Energieversorgung zu 100% aus erneuerbaren Energien gibt es eine ambitionierte Zeitplanung. Erreicht werden soll dieses Ziel u.a. durch die aktive Förderung des Ausbaus der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung mit eigenen Anlagen und Anlagen Dritter.

Wenn der Göttinger Stadtrat am 9. Dezember über die Transaktion entscheidet, haben alle anderen Landkreise ihre Beschlüsse bereits gefasst. Die Abstimmung im Rat setzt somit den vorläufigen Schlusspunkt unter einen Vertrag, um den beide Seiten über ein Jahr lang hart gerungen haben. Die EON Energie AG als Mutterkonzern und Verhandlungspartner hatte im Juni 2012 den kommunalen Miteigentümern die EON Mitte AG als einen von fünf Regionalversorgern zum Kauf angeboten. Die zwölf Landkreise und die Stadt Göttingen, die gemeinsam seit der Privatisierung und Umbenennung der ehemaligen EAM beständig etwas mehr als ein Viertel der Anteile an dem Unternehmen hielten, werden nun voraussichtlich die damals veräußerten Anteile zurückkaufen (heute etwa 73,3%), rückwirkend zum 1.1.2013. Dabei werden zunächst der Vertrieb und sämtliche Kundenverträge der EON Mitte AG mit erworben, anschließend aber sofort wieder an den Mutterkonzern zurückveräußert. Unterm Strich bleibt ein Kaufpreis von 620 Mio. €, der zunächst über Bankkredite finanziert werden soll.

Neustart unter dem Namen „EAM“ mit eigenem Vertrieb

In einem zweiten Schritt soll das kommunalisierte Unternehmen seinen alten Namen EAM zurückerhalten. Anschließend wollen die Alteigentümer, also die dreizehn Landkreise und die Stadt Göttingen, bis zu 49,9% der Anteile an andere kommunale Anteilseigner weiterveräußern. Erst danach werden sich viele wichtige Entscheidungen über die zukünftigen Strukturen der EAM treffen lassen. Immerhin zeichnet sich bereits ab, dass auch die zukünftige EAM einen eigenen Stromvertrieb aufbauen wird, der seinerseits vor allem in Konkurrenz zum Vertrieb des ehemaligen Mutterkonzerns treten soll.

Göttingens GRÜNE an Vertragsgestaltung maßgeblich beteiligt

„Für uns GRÜNE macht diese Transaktion nur Sinn, wenn wir am Ende ein Unternehmen haben, dass die Energiewende in der Region wirklich voranbringt und nicht ausbremst“, betont Morgenroth. Um diese Weichenstellung sicherzustellen, gaben die Göttinger GRÜNEN schon kurz nach Bekanntwerden des Verkaufsangebots der EON Energie AG den Anstoß für die Vernetzung der beteiligten GRÜNEN KommunalpolitikerInnen und Energieexperten im gesamten Netzgebiet. Es folgten zahlreiche überregionale Koordinationstreffen zum Informationsaustausch und zur parteiinternen Meinungsbildung und immer wieder auch Gespräche mit den Verhandlungsführern der Kommunen, mit Stadt- und Gemeindewerken und mit dem Vorstand der EON Mitte AG.

Im Ergebnis präsentierten die GRÜNEN sowohl für die Charta als auch für das unternehmerische Konzept der zukünftigen EAM eigene Entwürfe, an deren Entstehung Morgenroth maßgeblich beteiligt war. Viele darin formulierte Aspekte und Zielsetzungen finden sich nun in der Beschlussvorlage wieder. „Angesichts der unglaublich großen Zahl beteiligter Akteure freue ich mich, wie gut die Abstimmung über Landes- und Landkreisgrenzen hinweg geklappt hat und vor allem Wirkung gezeigt hat.“ Als wichtigsten Erfolg bezeichnet Morgenroth in diesem Zusammenhang den Aufbau einer Energieversorgung im Netzgebiet zu 100% aus erneuerbaren Ressourcen und die Förderung der regionalen Wertschöpfung. Sicherlich wäre auch die Option einer direkten Bürgerbeteiligung ohne politischen Druck der GRÜNEN niemals Teil der Beschlussvorlage geworden. „Für uns war entscheidend, dass das neue Unternehmenskonzept auf Kooperation und gesellschaftlicher Verantwortung beruht und sich das unternehmerische Handeln der neuen EAM nicht mehr am Shareholder Value orientiert sondern an klar definierten Nachhaltigkeitszielen.“

Ein Dissens bleibt: GRÜNE fordern gleichberechtigte Beteiligung der Stadtwerke!

Um Konkurrenzeffekte zu vermeiden und bestehende Löcher im Stromnetz mittelfristig wieder schließen zu können, war den GRÜNEN in den Verhandlungen von Anbeginn wichtig, dass alle kommunalen Gebietskörperschaften, sowie die Stadt- und Gemeindewerke die Möglichkeit erhalten, sich durch den Erwerb von Anteilen angemessen am Eigentum der zukünftigen EAM zu beteiligen. Insbesondere im Hinblick auf das Konsortium von 23 Stadtwerken ist dieses Ziel noch nicht zufriedenstellend erreicht. Wie die GRÜNE Energieexpertin Morgenroth erläutert, hatten die Stadtwerke schon frühzeitig ihr Interesse an einer Beteiligung bekundet, wurden in den Verhandlungen aber bis zum Schluss nachrangig behandelt. „Gerade die Stadtwerke bringen unternehmerische Kompetenzen mit, die wir in den Aufsichtsgremien dringend brauchen“, so Morgenroth. „Mindestens genauso dringend brauchen wir ihre Beteiligung, um zu verhindern, dass sich die zukünftige EAM und die Stadtwerke im Netzgebiet als konkurrierende Unternehmen der kommunalen Familie gegenseitig kannibalisieren.  Wenn es gelingt, alle mit ins Boot zu holen, dann bin ich zuversichtlich, dass sich die neue EAM ökonomisch rechnen und zur wichtigsten treibenden Kraft für die Energiewende in der Region entwickeln wird. Dies gilt auch für die MitarbeiterInnen der heutigen EON Mitte AG auf deren Kompetenzen wir bauen.“

Kontakt:

Sabine Morgenroth, energiepolitische Sprecherin der Fraktion, Tel.: 0551-706602

Rolf Becker, Fraktionsvorsitzender, Tel.: 0551-4886023, Mobil: 0176-22334501

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