31.01.2011 Kreisvorstand: Kritik an Göttinger Polizeipräsident Kruse

Kruse wird Kritik vertragen müssen / Nach DNA-Abgabe ist jetzt Deeskalation durch die Polizei notwendig!

 

Zur DNA-Abgabe von Martin R. sowie zu den öffentlichen Äußerungen von Polizeipräsident Kruse erklärt der Kreisvorstand von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Göttingen:

 

Wir begrüßen die Entscheidung von Martin R. den Zeitpunkt seiner DNA-Abgabe selbstbestimmt gewählt zu haben und solidarisieren uns mit ihm. Die Verfolgungssituation, in die ihn die Fahndung und die Anordnung zur Entnahme seines Genmaterials durch die Göttinger Staatsanwaltschaft gebracht haben ist für einen jungen Menschen dauerhaft untragbar. Die repressiven Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft, die einen heranwachsenden Bürger dieser Stadt zeitweise von seinen sozialen Kontakten abgeschnitten und seine Ausbildung gefährdet haben, sprechen für das fehlende Fingerspitzengefühl beim Vorgehen der Verfolgungsbehörden. Der Schritt aus Eigeninitiative von Martin R. war der richtige Weg, um die zerfahrene Situation zu deeskalieren.

 

Leider reagiert Robert Kruse (Polizeipräsident) unter diesen neuen Vorzeichen völlig kontraproduktiv, in dem er öffentlich Vertreter_Innen der Politik für ihre Solidarität mit Martin R. angreift und die Polizei zu einem passiven und gar bedrohten Akteur stilisiert. Julia Willie Hamburg, Sprecherin des Kreisvorstandes sagt dazu: „Es entbehrt nicht einer gewissen Absurdität, wenn sich Herr Kruse jetzt explizit politisch äußert und gleichzeitig sagt, die Polizei würde nur ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen. Die Verfolgung von Martin R. wurde ausgelöst durch das Bulldozer-Vorgehen der Göttinger Polizei. Der Betroffene ist nicht mal verurteilt, aber muss schon repressive Maßnahmen über sich ergehen lassen, die tief in seine sensiblen Persönlichkeitsrechte eingreifen. Der Vollzug solcher Maßnahmen ist keine Zwangsläufigkeit des Rechtsstaates, sondern fußt im drängenden Vorgehen der Polizei, die hier eine selbsterfüllende Prophezeiung konstruiert. Da beißt sich der Hund selbst in den Schwanz, wenn man eine Verfolgung erst initiiert und dann bei ihrer Durchführung plötzlich nur noch Vorgaben umsetzen will!

 

Die Grundlagen, auf denen Herr Kruse argumentiert sind für uns nicht nachvollziehbar. Der Mythos einer zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamt_Innen, der auch von der schwarz-gelben Bundesregierung forciert wird, ist statistisch sehr kritisch, da er auf nicht-verifizierten Daten beruht, die lediglich durch das Anzeigeverhalten der Polizei und nicht durch tatsächliche Rechtsprechung zustande kommt. Hier schafft sich die Polizei selbst eine wacklige Rechtfertigung für ihr law-and-order Vorgehen. Statistiken über Gewalttaten der Polizei werden demgegenüber immer noch nicht amtlich geführt. Unabhängige Studien wie die von Amnesty International lassen allerdings einen beunruhigenden Eindruck über deren Dunkelziffer und von Kameraderie bei der Polizei entstehen.

 

Wie Polizist_Innen für „die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger“ sorgen (wie Kruse sagt) lässt sich derweil nicht nur an der Aushöhlung der Bürger_Innenrechte des Göttinger Bürgers Martin R. sehen, sondern konnte z.B. vor nicht allzu langer Zeit im Stuttgarter Schlosspark beobachtet werden, als Einsatzkräfte demonstrierende Bürger_Innen mit Schlagstöcken, Reizgas und Wasserwerfern angriffen. Auch in Göttingen kamen bei der Demonstration am 22. 01. vermehrt harte Gewaltmittel zur Anwendung, durch die ca. 30 Protestierende mit Reizgas und Schlagstöcken verletzt wurden. Solche Zwangsmittel können ernsthafte körperliche Verletzungen verursachen, werden allerdings augenscheinlich zunehmend standartmäßig eingesetzt. Der Umgang mit solchen Gewaltmitteln durch die Polizei muss bei der Eskalation zu körperlichen Auseinandersetzungen auf Demonstrationen als Ursache der Konfliktspirale immer mit bedacht werden.

 

Insofern bedauern wir die Haltung des Polizeipräsidenten, gegen eine herbei halluzinierte, gewaltbereite linke Szene mit aller Härte vorgehen zu wollen. Wir legen ihm angesichts der andauernd angespannten Lage zwischen politisch aktiver Zivilgesellschaft und den staatlichen Strafverfolgungsbehörden dringend einen Strategiewechsel, hin zu einem besonneneren und sensibleren Vorgehen seiner Polizei, nahe. Dieser ist nötigt, um die Situation in Göttingen effektiv zu entspannen. „Wer die gesellschafts-politisch engagierte Öffentlichkeit als „Brennpunkt linksmotivierter Gewalt“ verunglimpft und sie bekämpfen will, braucht sich über Kritik von den Vertreter_Innen der Bürger_Innen nicht zu wundern. Gesprächsangebote der Zivilgesellschaft, z.B. durch den Göttinger Rat oder unseren Landtagsabgeordneten Stefan Wenzel, an die Polizei hat es genug gegeben. Leider wurden diese immer mit einem autokratischen Gestus von Herrn Kruse zurück gewiesen. Wir sind auch gerne weiterhin bereit, mit der Polizei in einen Dialog über eine veränderte Strategie ihrerseits zu kommen, mit der das politische Handeln in unserer Stadt nicht mehr durch staatliche Institutionen eingeschränkt wird. Das sehen wir als Voraussetzung für den richtigen Weg zu einer bunten, vielfältigen und friedlichen politischen Kultur in Göttingen.“ so Hamburg weiter.

 

Auch GRÜNE Vertreter_Innen, Norbert Hasselmann (Kreistagsfraktion) und Moritz Keppler (Kreisvorstand), haben Martin R. bei seiner selbstbestimmten DNA-Abgabe begleitet und unterstützt. Wir sehen keinen Anlass, von dieser Solidarität sowie der solidarischen Unterstützung der Demonstrationen am 22.01. und am 28. 01. durch uns GRÜNE abzusehen. Die hohe Beteiligung an den Demonstrationen sehen wir als positives Signal für eine selbstbewusst auftretende, kritische Politiköffentlichkeit, die durch die Bürger_Innen dieser Stadt selbst getragen wird.

 

 

Für Nachfragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte gerne an:

 

Julia Willie Hamburg (Sprecherin des Kreisverbandes)

julia.hamburg@remove-this.gj-nds.de

0176-83103354

oder

Moritz Keppler

ernst.k@remove-this.gmx.de

0551-4883083

 

Die Pressemitteilung der Polizei, auf die oben eingegangen wird, finden sie unter:

http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/7452/1757114/polizeidirektion_goettingen

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