E-Sport anerkennen - Rede von Mehmet Tugcu zu TOP Ö 12 der Ratssitzung vom 18.9.2020

18.09.20 –

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe mich lange und ausführlich mit dem Thema „E-Sport“ befasst und je tiefer ich mich mit der Materie auseinandergesetzt habe, desto deutlicher wurde es, dass E-Sport mit Sport, so, wie wir ihn alle kennen, rein gar nichts zu tun hat.

In erster Linie hat Sport für mich etwas mit Bewegung zu tun. Seien es Aktivitäten unter freiem Himmel oder unter einem Hallendach, wie Schwimmen, Tennis, Fußball usw.

E-Sport hingegen setzt voraus, dass man auf einem Stuhl sitzt und dabei stundenlang auf einen Bildschirm starrt. Das ist dann kein Sport, sondern eine Form der Unterhaltung.

Sicherlich kann man damit argumentieren, dass es beim E-Sport, wie beim Sport, durchaus zur Erhöhung des Pulses kommen kann und sowohl Reaktionsfähigkeit als auch ein gewisses Maß an Koordination vorausgesetzt werden, jedoch bewirken und erfordern dies auch andere Aktivitäten, die nicht unter die Kategorie „Sport“ fallen, wie beispielsweise das Spielen eines Musikinstrumentes oder auch bei einer körperlich fordernden beruflichen Tätigkeit.

Hinzu kommt noch, dass beim E-Sport nicht nur Sportsimulationen gespielt werden, sondern auch so genannte Ballerspiele und solche Spiele haben für mich absolut gar nichts mit Sport zu tun.

Des Weiteren ist E-Sport alles andere, als gesundheitsfördernd! Wir reden hier von teilweise 16 Stunden täglich, ohne Bewegung, die die Spieler*innen auf dem Stuhl vor dem Monitor verbringen. Ist dies gesundheitsfördernd? Ich glaube die Antwort auf diese Frage kennen Sie alle.

Auch ist die Nutzung von gewissen “Aufputschmitteln“ weit verbreitet unter den E-Sportler*innen. Wie ich bereits erwähnt habe, reden wir hier von mehreren Stunden am Stück. Die Leistungen müssen permanent gesteigert werden. Es geht hier mittlerweile um exorbitant hohe Sponsorengelder, Werbeverträge und teilweise auch Preisgelder in Millionenhöhe. Die Spieler*innen stehen damit immer mehr unter Leistungsdruck, wodurch mehr und mehr gespielt werden muss, um “mitzuhalten“. Da ist es dann nicht unüblich, dass zu gewissen “Aufputschmitteln“ gegriffen wird, wie bspw. Ritalin oder Adderall.

Es wird beinahe täglich über die unverhältnismäßigen Gehälter von Profisportlern geschimpft, während auf der anderen Seite ein 16-jähriger an einem Abend 3 Millionen US-Dollar durch den Sieg in einem Videospiel (Fortnite) gewinnt. Diese Summen stehen in keiner Relation zu den erbrachten Leistungen.

Während im Fußball oder im Basketball Akteur*innen im Alter von 22 Jahren noch teilweise in der Entwicklungsphase stecken, wird man im E-Sport bereits als “zu alt“ betitelt und es wird nach Ersatz gesucht. Was wird dann aus einem jungen Menschen, der bereits als Jungendlicher so hohe Summen verdient hat, nachdem die Karriere im E-Sport vorbei ist? Diejenige Person wird es sicherlich schwer haben, sich in das alltägliche Leben sozial einzugliedern, womit ich nun auf einen ganz besonderen Punkt hinaus will: Soziale Isolation.

Wie sollen Kinder und Jugendliche den sozialen Umgang mit Menschen lernen, wenn sie den ganzen Tag vor dem Monitor sitzen und Videospiele spielen? Mir ist bewusst, dass Spieler*innen untereinander mit dem Headset kommunizieren, jedoch geht es dann meist nur um das Videospiel selber. Ich rede hier von der Knüpfung zwischenmenschlicher Beziehungen. Draußen läuft man auch nicht mit Headset rum. Man kommuniziert direkt miteinander.

Ich komme selber aus dem sportlichen Bereich. Ich war jahrelang erfolgreich als Fußballer und auch Fußballtrainer tätig und gerade solche Teamsportarten, wie Fußball oder Basketball, schweißen Menschen zusammen, weil man lernt, für jeden seiner Mitspieler*innen zu kämpfen und sich einzusetzen.

Konfliktsituationen werden direkt auf dem Platz bereinigt. Man lernt, sich deeskalierend zu verhalten.

Es gibt genug positive Beispiele, wie der echte Sport, völlig egal, ob Mannschaftssportarten oder Individualsportarten, schwierigere Jugendliche ohne Perspektive von der Straße geholt und sozial eingegliedert hat.

Es werden Werte vermittelt, wie Respekt, Disziplin, Hilfsbereitschaft, in Niederlagen Größe zu zeigen und Fair Play.

Weiterhin sprechen wir hier von Präventionsmaßnahmen gegen Rassismus, weil man oft mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Hautfarben zusammenkommt.

Währenddessen beim E-Sport häufig zu beobachten ist, dass rassistische und sexistische Anfeindungen und Beleidigungen beinahe Gang und Gäbe sind.

Es gibt keinen Moralkodex, keine Schiedsrichter*innen, keine gelben Karten, keine Zeitstrafen oder Punktabzüge für unsportliches Verhalten.

Weiterhin möchte ich einige Suggestivfragen in den Raum werfen: Wie soll bzw. wird der E-Sport besteuert? Handelt es sich hier um eine freiberufliche Tätigkeit oder sogar um ein Gewerbe? Wir sprechen hier

schließlich auch von Kindern und Jugendlichen, die teilweise unfassbare Summen verdienen.

Darunter fallen nicht nur die immensen Preisgelder, sondern auch Antrittsgelder, Werbeeinnahmen, Sponsorenverträge und auch Sachpreise.

Ein letzter Punkt wäre folgender:

Die Anerkennung von E-Sport als gleichberechtigter Sport würde bedeuten, dass dem E-Sport Fördergelder zustehen. Die Frage ist nun, ob das verhältnismäßig ist, wenn zusätzlich zu den fetten Sponsoren- und (individuellen) Werbeverträgen, Fördergelder in den E-Sport gesteckt werden, während es Sportvereine gibt, die um ihre Existenz kämpfen? Die Antwort lautet: NEIN!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Kontakt: Mehmet Tugcu, mtugcu72(at)web.de

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