28.02.2011 Kreisvorstand: Grüne verurteilen Gewalteinsatz der Polizei am 22. Januar in Göttingen

Pressemitteilung von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN KV Göttingen vom 28. Februar 2011

 

Schünemann nimmt körperliche Verletzungen von Demonstrierenden in Kauf!

 

Zur Beantwortung der kleinen Anfrage des MdL Patrik Humke (LINKE) durch Innenminister Schünemann (CDU) im nds. Landtag erklärt der Kreisvorstand von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Göttingen:

 

Innenminister Schünemann versucht den Einsatz von Pfefferspray durch Beamt_Innen der BFE auf der Demonstration in Göttingen gegen staatliche Repression am 22. Januar bewusst herunterzuspielen, indem er betont, dass Pfefferspray erstens nach dem Polizeirecht nicht als Waffe gedeutet wird, zweitens „in Niedersachsen“ nie langfristige, körperliche Folgen aufgetreten sind und das Reizmittel solche Folgen bei gesunden Menschen auch nicht hervorrufen würde. Daraus folgert er dann auch, dass er die Verwendung dieses Zwangsmittels nicht einzuschränken braucht. Wir halten diese Argumentation im Angesicht von mindestens 30 Verletzten geradezu für zynisch.

 

Dazu Hans-Georg Schwedhelm, Sprecher des GRÜNEN Kreisverbandes: „Der Innenminister geht wohl davon aus, dass in Niedersachsen nur top-fitte und gesunde Menschen demonstrieren gehen und seine Polizist_Innen deswegen ruhig willkürlich mit Pfefferspray um sich sprühen könnten. Wenn doch mal ein_E Asthmatiker_In dazwischen sein sollte, dann scheint Herrn Schünemann das Risiko für diese_N, langfristige Atemwegsbeschwerden zu bekommen auch recht zu sein. Derart ignorant, auch schon gegenüber kurzfristigen Verletzungen zu sein, ist für einen Minister, der als Repräsentant staatlicher Gewalt das Grundrecht seiner Bürger_Innen nicht nur auf Demonstrationsfreiheit, sondern vor allem auch auf körperliche Unversehrtheit schützen soll, einfach unfassbar!“ Auch den Eindruck, gegen die Demonstration sei nicht mit Waffengewalt vorgegangen worden, kann sich Schünemann in seiner klein-klein Gesetzeslektüre schenken, denn auch vom Polizeigesetz als Waffen eingeordnete Schlagstöcke sind am 22. 01. ohne Rücksicht auf körperliche Verletzungen gegen die Demonstrierenden eingesetzt worden. Wie Videos zeigen, wurde Pfefferspray pauschal über die Menge der Demonstration hinweg gesprüht. Wie bei einem solchen Einsatz vom Innenminister davon ausgegangen werden kann, dass in der Menge jede_R gesundheitlich in der Lage ist, die Wirkung des Reizmittels einfach weg zu stecken, muss jedem rational denkenden Menschen unbegreiflich bleiben.

 

Bei seiner Lektüre der Gesetzestexte hat Schünemann zudem anscheinend die Grundsätze für den Einsatz von unmittelbarem Zwang überlesen, nämlich dass der Gebrauch von Zwangsmitteln angemessen und verhältnismäßig zu sein hat. In der Situation auf der Leinekanalbrücke war das Verletzen und in Kauf nehmen von langfristigen körperlichen Folgen, die laut einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bei manchen Personen bis hin zur Lebensgefahr geht (siehe http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/pfefferspray.pdf), in keiner Weise angemessen. Hier hätte das einfache Zurückdrängen der Demonstrierenden oder der Rückzug der Polizist_Innen völlig gereicht, um das Ziel, die Situation friedlich aufzulösen, zu erreichen. Verhältnismäßig ist das Verletzten von Demonstrierenden in einer Situation, in der die Polizei selbst einen Konflikt auf einer Brücke provoziert hat, schon gar nicht. Das Gesetz schreibt zudem nach dem Einsatz von Zwangsmitteln wie Pfefferspray Erste-Hilfe-Maßnahmen durch die Polizist_Innen vor. Davon war in der Goethe-Allee am 22. 01. keine Spur! Die Verletzten mussten auf der Straße notdürftig von anderen Demonstrierenden versorgt werden.

 

Insgesamt wurde durch den Polizeieinsatz an diesem Tag die Brutalität des leider inzwischen standardmäßigen Vorgehens der Bereitschaftspolizei, insbesondere der BFE-Einheiten, klar. Es geht nicht um angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen, sondern um ausufernde Gewalt, mit der Teilnehmer_Innen von unliebsamen Demonstrationen gegängelt und abgeschreckt werden sollen. Wir fordern daher, dass jeder Einsatz von unmittelbarem Zwang standardmäßig durch die Staatsanwaltschaft kritisch und scharf auf Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit überprüft wird. Verstöße müssen konsequent Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung nach sich ziehen – wenn sich die jeweilige Beamt_In nicht ermitteln lässt, dann auch gegen die_den verantworliche_N Einsatzleiter_In. Außerdem muss Pfefferspray im Polizeigesetz als Waffe geführt werden, da die körperlichen Folgen des Einsatzes auch langfristig sein können. Die Verwendung dieser Waffe darf auf Grund ihrer Wirkung nicht standardmäßig zur Durchsetzung ordnungsschaffender Maßnahmen, sondern nur in eindeutigen Notwehr- oder Nothilfe-Situationen stattfinden.

 

 

Für Nachfragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte gerne an:

 

Moritz Keppler (Mitglied des Kreisvorstands)

0551-4883083

ernst.k@remove-this.gmx.de

zurück

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>